20.06.2025

Fataler Doppelschlag gegen den Zivildienst

Das Parlament hat sich sowohl für die Änderung des Zivildienstgesetzes als auch für die Sicherheitsdienstpflicht ausgesprochen. Der Verband Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse) kritisiert beide Beschlüsse scharf. Sie führen zu deutlich weniger Diensttagen im Zivildienst und schaden so massiv den Organisationen der familienergänzenden Bildung und Betreuung, weil sich damit der bereits akute Fachkräfte- und Personalmangel in der Branche ohne die Einsätze der Zivis weiter verschärft. 

Zivildienst und Zivilschutz sollen zusammengelegt werden  

Der Nationalrat will Wehrpflichtigen den Zugang beziehungsweise den Wechsel zum Zivildienst erschweren. Er hat mit 119 zu 73 Stimmen bei 1 Enthaltung das geänderte Zivildienstgesetz (ZDG) angenommen und sich damit hinter den Vorschlägen des Bundesrats gestellt, die der Armee zu mehr Personal verhelfen sollen. Zeitgleich hat nach dem Entscheid der grossen Kammer vergangener Woche nun auch der Ständerat mit 21 zu 13 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Modell der Sicherheitsdienstpflicht gutgeheissen. Die Sicherheitsdienstpflicht will den Zivildienst und den Zivilschutz in eine neue Organisation namens «Katastrophenschutz» zusammenführen. Demnach sollen Schweizer Männer künftig entweder beim Militär oder beim Katastrophenschutz Dienst leisten.  

Zivis decken wichtige Aufgaben ab  

kibesuisse spricht sich aufgrund des wichtigen Stellenwerts der Zivildienstpflichtigen (Zivis) für die familienergänzende Bildung und Betreuung klar und deutlich gegen beide Beschlüsse aus. Auf der einen Seite würde die Sicherheitsdienstpflicht zu deutlich weniger Diensttagen im aktuellen Zivildienst führen, denn es würden nur die bisherigen Tätigkeitsbereiche Pflege und Betreuung sowie Umwelt und Naturschutz erhalten bleiben. Gemäss ZDG kommen Zivildienstpflichtige dort zum Einsatz, wo Ressourcen für die Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft fehlen oder nicht ausreichen. Dies ist unter anderem im Sozial-, Gesundheits- und Schulwesen der Fall, also in Spitälern, Kindertagesstätten, Schulen, schulergänzenden Tagesstrukturen, Pflegeheimen oder anderen sozialen Institutionen – alles Tätigkeitsbereiche, in denen der Fachkräftemangel bereits heute ausgeprägt ist und in Zukunft noch zunehmen wird.  

Den Personalmangel abfedern  

Gleichzeitig machen diese Bereiche gemäss den Kennzahlen des Bundesamts für Zivildienst (ZIVI) mit 83 Prozent den Löwenanteil der geleisteten Diensttage im Jahr 2024 aus. Die Zivis haben im vergangenen Jahr rund 115'000 Diensttage im Bereich «Kinder» geleistet (vgl. Statistiken 2024 ZIVI). Damit ist klar: Der Bedarf an Zivis in den Organisationen der familienergänzenden Bildung und Betreuung ist unbestritten. Der Einsatz von Zivis trägt dazu bei, die negativen Folgen des Personalmangels in der Branche abzumildern. Ohne sie würden sich die Organisationen in einer noch kritischeren und angespannteren Lage befinden.  

Verstoss gegen Verfassung und Völkerrecht  

Auf der anderen Seite schwächt auch die Änderung des ZDG den Zivildienst massiv. Auch hier gäbe es weniger Dienstleistungen zur Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft, weil die Anzahl Zulassungen zum Zivildienst um 40 Prozent gesenkt werden sollen. Zudem sind die einzelnen sechs Massnahmen nicht mit der Verfassung beziehungsweise mit dem Völkerrecht vereinbar. Sie verstossen alle gegen die Verhältnismässigkeit sowie teilweise gegen das Rechtsgleichheitsgebot oder gegen das Grundrecht, Zivildienst zu leisten. Nun wird sich das Stöckli über die Vorlage beugen. Sollte es dem Nationalrat folgen, hat der Schweizerische Zivildienstverband Civiva in einer ersten Stellungnahme bereits angekündigt, das Referendum zu ergreifen.  

Kosten in Milliardenhöhe  

Auch die Sicherheitsdienstpflicht ist nicht mit der Verfassung vereinbar, da sie gegen das Diskriminierungsverbot verstösst. «Eine solche Verfassungsänderung hätte vor dem Volk kaum Chancen auf eine Mehrheit», erklärte kibesuisse-Präsidentin und Ständerätin Franziska Roth. Nun will der Bundesrat bis 2027 das weitere Vorgehen klären. Die Sicherheitsdienstpflicht soll im Rahmen des Projekts zur Entflechtung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen behandelt werden, da sie für beide mit Aufgaben und Kosten verbunden ist. Allein die Einführung der Sicherheitsdienstpflicht würde 900 Millionen Franken kosten. Zudem müssten die heutigen Zivilschutzleistenden mehr Diensttage absolvieren. Zusammen mit dem allgemeinen administrativen Mehraufwand würde dies weitere 900 Millionen Mehrkosten pro Jahr nach sich ziehen.  

Medienmitteilung von kibesuisse vom 20. Juni 2025 

Statistiken des Bundesamts für Zivildienst (ZIVI) vom 25. März 2025: «Der Zivildienst in Zahlen 2024» 

Stellungnahme des Schweizerischen Zivildienstverbandes Civiva vom 18. Juni 2025: «NR beschliesst Frontalangriff auf den Zivildienst»